Ein Ende mit Schrecken

Ein Ende mit Schrecken

Manchmal ändern sich Eindrücke zu einem Buch oder einem Film, wenn sie einmal durch das System gelaufen und gesackt sind. Aus dem Grund blogge ich gern immer zwei Mal über das jeweilige Gesehene. Das ist für mich auch durchaus interessant, wie wenig emotional oder weniger emotional man beim zweiten Mal rangeht, wie sich der Blick verändert, wie er sich überhaupt verändern KANN. Hier geht es also um den Rostocker Polizeiruf “Keiner von uns”; der letzte mit Charly Hübner als Sascha Bukow.

Die Großmutter einer Freundin hat immer gesagt: “Wenn du nichts Nettes sagen kannst, sag gar nichts.“ Ich übe ja schon mein Leben lang, nach diesem Credo zu leben. Allein, ich kann‘s nicht. Daher eine Warnung: Wem der Film total gut gefallen hat, wer absolut nichts oder nur wenig zu kritisieren hat, kann jetzt auch wegklicken und nicht weiterlesen. Ich will hier nämlich niemandem die gute Laune verderben oder Fans vergrätzen. Ich sehe mich selbst nach wie vor als großen, sehr großen Rostock-Fan. Der Film hat mir aber trotzdem nicht gefallen. Und hier steht eben, wieso….

Über Bukow

Der erste Durchlauf von „Keiner von uns“ liegt hinter mir. Und nachdem, was ich im Vorspann gesehen habe, gehe ich davon aus, dass das nun auch der endgültige, passende Titel ist. Ich hatte geringe Erwartungen an den Film. Das liegt nicht nur daran, dass ich an Bukow hänge und auch an Charly Hübner, sondern vor allem daran, dass es mir seit Monaten, die ich nun darüber grüble, nicht in den Kopf wollte und will, wie man glaubhaft, schlüssig, nachvollziehbar erzählen will, dass Bukow GEHT. Was in der Welt könnte einen Sascha Bukow dazu bewegen, seine Heimat, seine Katrin, seine Familie, seine Söhne, seinen Henning zurückzulassen? Wie glaubhaft würde mir dieser Grund erscheinen können? Wie sehr würde Bukow seinen Charakter geändert haben müssen, um selbst zu glauben, dass ein Abschied die beste Lösung ist? Der Sascha Bukow, der noch um seine Ehe kämpfte, als sie bereits in Scherben lag. Der Sascha Bukow, der um seine Söhne kämpfte, obwohl diese sich schon abgewandt hatten. Der Sascha Bukow, der sich immer wieder um Katrin König bemühte, obwohl es so aussichtslos erschien. Was sollte diesen Mann, ausgerechnet diesen Mann dazu bewegen, Rostock zu verlassen? Nachdem ich „Keiner von uns“ nun gesehen habe, bleibe ich bei meiner allerersten Einschätzung: NICHTS. (Maximal noch die Idee, dass er geht, um Katrin zu schützen, ja, und seine Söhne. MAXIMAL das.) Und damit bin ich bei meinem ersten ganz dicken Problem mit „Keiner von uns“: Charaktere komplett out of character. Ich möchte jetzt schon spöttisch vorwegschicken, dass er nicht der einzige ist, der diesmal schlecht getroffen wurde. Aber da es irgendwie Bukows Film ist, macht es das noch tragischer. Ein Sascha Bukow, der nachts bei Katrin in der Wohnung steht und ihr erklärt, dass sie ihn ja schon lange in der Spur gehalten habe, dass er aber nun mal der Kerl ist, der er immer war, dass das sein Wesen sei. Und dass er jetzt gehen müsse. Sicherlich, wenn ich Subtilität reinlege, dann entscheidet er das an dieser Stelle AUCH, um Katrin zu schützen. Das macht es ein wenig plausibler. Es spiegelt sich am allerschönsten in folgendem Dialog, nämlich, als er ihr anbietet, ihn zu begleiten.
Katrin: „Bukow und Clyde.“
Sascha: „Wenn schon, dann Bonnie und Bukow. Oder König und Clyde.“
Katrin: „Bukow und König.“

Die dahinterliegende Wahrheit spricht Katrin schon davor aus, als sie sagt: „Zusammen rutschen wir an einem matschigen Hang entlang. Wir klammern uns aneinander fest und ziehen uns immer tiefer. Ich deck dich, du deckst mich, ich deck dich wieder. Was kommt als nächstes? Wir dürfen nicht weitermachen.“

Ja, das ist die Wahrheit. Das ist die Wahrheit, die wir seit „Einer für alle, alle für Rostock“ wussten, kennen, geleugnet und ignoriert haben. Es war eine Art das Vorhersehens auf Katrin-Art. Wir konnten danach in jedem Film beobachten, wie das wahr wurde, wahr war, immer und immer wieder. Und trotzdem konnten sie die Finger nicht voneinander lassen.

Sascha geht also „aus freien Stücken“, eine Formulierung, die mir die ganze Zeit querlag, weil ich vorher darauf gewettet hätte, dass Sascha Bukow der Mann ist, der kämpft, der weitermacht, der alles versucht, bevor er aufgibt und nach Sibirien auswandert. Es passt für mich nicht zusammen. Auch wenn ich durchaus verstehe, dass Katrins Worte nach dem Mord an Subocek ihn wachgerüttelt haben. Dass er endlich versteht, dass sie sich nicht guttun. Nicht, wenn er so bleibt, wie er ist. Hier wurde für meinen Geschmack aber an zu vielen dramaturgischen Schrauben gedreht. Mensch, was aber auch ein Drama. Bukow beim endgültigen Scheitern, beim Aufgeben, beim Loslassen, beim Aufgeben der großen Liebe.

Über König

Katrins Momente „out of character“ haben mir allerdings noch mehr wehgetan, naturally. Wie stimmig ist es, dass diese Frau aus lauter Panik, zu versagen, in dieser einen, ihr so wichtigen Beziehung zu versagen, auf die Knie geht und Bukow einen Antrag macht? Entschuldigung, hattet ihr es keine Nummer kleiner? Bei dieser Szene, NATÜRLICH großartig gespielt von Anneke und Charly, liefen meine Gedanken folgendermaßen ab: „Was?“, „Was bin ich sehend?“, „WTF?“, „Scheiße, das ist falsch“, „Aaaaah, das macht sie jetzt nicht“, „Wer ist diese Frau und was hat sie mit Katrin König gemacht?“, „Ich versteh’s nicht“, „Oh Gott, ich hab Fremdscham“. Meine Gefühlswelt sah derweil analog dazu so aus: Überraschung, Schock, Unglauben, Fremdscham, Ärger, Wut, Ärger, noch mehr Wut. Wo die Wut herkam? Mir deuchte zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal, dass der „romantische“ Bukow-König-Strang zum Zwecke der Explosion/Implosion am Ende des Films SO verbogen und verdichtet wurde, damit es am Ende so gleißend in die Luft fliegen konnte. Den ÖRR-Zuschauer wird’s freuen, dass er noch einmal plakativ mit Kniefall, Blume und Metallring Zeuge der großen Liebe werden durfte, ehe das Autoren-Duo alles den Geiern zum Fraß vorgeworfen hat. Sorry, aber für mich als Fan ist diese ganze Sequenz nichts weiter als ein absoluter Schlag in die Fresse. In welchem Paralleluniversum waren wir da gerade unterwegs, dass ausgerechnet eine Katrin König auf die Knie geht und einen Antrag macht, um ihre „Muster“ zu überwinden? Ich höre das Argument der Gegenseite, dass sie’s ja nun auch versucht, dass sie doch sagt, dass sie so einen wie ihn nie wieder findet (nur um eine gute Stunde Erzählzeit später festzustellen, dass sie sich eventuell geirrt hat). Sorry, aber die beiden kennen sich seit EINEM Jahrzehnt. Noch nie war Katrin so OOC wie in diesem Film. Mich ärgert das maßlos, maßlos. Ich habe einfach keine Worte dafür.

Hinzu kommt am Ende für mich auch noch die Frage: Auch sie gibt so einfach auf? Sie lässt ihn ziehen, weil der Schlag in die Magengrube durch den Mord an Subocek SO heftig war? Gab es keine andere Lösung? Und wieso durften wir IHREN Vorschlag nicht mal hören? Hinzu kommt, dass wir quasi bei ihrem Verarbeitungsprozess nach Bukows Ansage („Ich gehe.“) nicht dabei sind. Erst ist sie komplett aufgelöst, sitzt da weinend (Katrin!) und kann’s kaum fassen, dass er das vorschlägt. Ohnehin war sie ja schon sehr durch den Wind wegen des Mordes und des Verrats, aber dann begleitet sie ihn noch galant zur Tür, darf einen klugen Spruch sagen („Mal sehen, auf welcher Seite du dann stehst“ (add „old buddy“ im Geiste) und – Cut. Wo ist die Szene in der Nacht, ein Zetern, Hadern, Nägelkauen, Haareziehen, Schreien? Sie nimmt nur zur Kenntnis. Und denkt sich am nächsten Morgen, dass es aber bestimmt schon noch mal schön wäre, doch hinzulaufen und zu winken. So zum Abschied. Bericht schreiben kann sie ja später noch.

Ich dachte schon nach nicht mal fünf Minuten, als man beide bei der Abendwäsche im Bad sah: „Scheiße, das wird böse enden.“ „Domestic bliss“, also.. häusliches Glück, die Alltagsdebatten (er benutzt ihre Zahnbürste), ein Heiratsantrag auf den Knien, Misstrauen Katrins, weil Bukow wieder Alleingänge macht, ein Streit, Bukows Versuch, sie zu schützen, eine Liebeserklärung, ein gemeinsamer Plan zur Rettung der Seelen, ein Mord, dann auch schon die Trennung, ein Abschied.

Direkt zu Beginn herrschte schon Unfrieden darüber, dass Katrin gern alles so genießen möchte, wie es gerade ist und keine Pläne machen will, was Bukow verstimmt. Kurz ertappe ich mich dabei, wie ich Katrin nicht mag. Das hatte ich so noch nie. Der erste Hinweis auf einen ooc-Moment, weil sie es so dermaßen „random“ vergiftet in die Welt bläst, dass mir der Atem wegbleibt. Der dann aber kurz darauf großherzig JA zu ihrem Antrag sagt. FUCK MY LIFE. Und was ist überhaupt mit Bukow los?

All das in EINEM Film und in einer erzählten Zeit von maximal drei Tagen!! Ich frage noch mal: Eine Nummer kleiner hattet ihr es nicht, ja? Jaja, erzählerische Verdichtung, damit wir alle schön mitleiden, leider aber komplett an beiden Lebensrealitäten vorbei. Vielleicht noch mehr an Katrins als an Bukows. Weshalb ich leider auch zu keiner Sekunde etwas gefühlt habe. Oder mitgelitten. Und das stresst mich gerade am meisten: Ich bin so empört und vergrämt, dass ich nicht mal traurig bin. Ich wäre so gern traurig!

Über die Horizontale

Was haben wir uns Wochen/Monate vorher noch ein bisschen lustig darüber gemacht, dass Guido Wachs bestimmt als Geist wiederkehrt. Wie wenig falsch wir doch lagen. Für jede Erwähnung von Guido Wachs hätte mein beim Bing-HR-o ein eigenes Feld haben können. So weit, so gut. Denn die Verknüpfung finde ich extrem gelungen. Klar war die Geschichte nicht beendet. Sie ist NIE beendet. Nach dem Abschiedsgespräch zwischen Bukow und König bin ich mir sicher, dass Katrin damit niemals abschließen wird. Und ich bin mir inzwischen auch nicht mehr sicher, ob diese ganze Idee der Beweismanipulation auf lange Sicht so eine gute Idee war. Den ÖRR-Zuschauer höre ich schon pöbeln: „Die gehört in den Knast.“ Jupp, tut sie. Bukow auch. In den Raum zu stellen, sie könne sich ja stellen und zehn Jahre einrücken, es dann aber nicht zu tun, hinterlässt ja irgendwie auch ein Geschmäckle.

Aber zur Horizontalen: Nachdem ich „Keiner von uns“ gesehen habe, bin ich mir sehr sicher, dass Charlys Abgang doch eigentlich schon seit der Planung von „Für Janina“ festgestanden haben muss. Da tauchte Guido Wachs zum ersten Mal auf. Und mir erscheint es ein wenig zu zufällig, dass er immer und immer wieder auftaucht. Wenn das so von 2017 bis heute geplant war, dann sage ich: Chapeau! Großartig. Danke dafür. Hut ab für das Durchhaltevermögen, die guten Bücher, die gute Erzählung – die für mich nur an einer Stelle krankt; und zwar massiv.

Wenn bereits bei „Für Janina“ klar war, wohin das Schiff segelt: nämlich erst einmal ins Kriegsgebiet, dann in seeeeehr langsamem Tempo und während Reparaturen durchgeführt wurden nach Love Island, um dann mit zerrissenen Segeln und halber Besetzung zurück nach Rostock zu fahren, dann frage ich mich wirklich ernsthaft, wieso man diese Zeit zwischen „Für Janina“ und „Keiner von uns“ nicht genutzt hat, um die Beziehung Bukow-König langsam auf- und auch langsam wieder abzubauen? Steht die Annahme im Raum, dass es so implodieren musste, weil das Vorspiel ja so lang war? Kann man so machen, ist dann halt aber kacke. Ich wiederhole mich von weiter oben: domestic bliss, Konflikt, Antrag, Liebeserklärung, Streit, Trennung, Abschied in EINEM Film? WARUM? Erzählte Zeit: zwei Tage, maximal drei. WARUM?

Man hatte sooooo viel Zeit, das in die Wege zu leiten. Warum wurden Filme wie „Dunkler Zwilling“ und „Söhne Rostocks“ als Füllerepisoden verschwendet? Weil Charlys Vertrag erst 2020 auslief? Weil es doch die erzählerische Verdichtung sein MUSSTE, damit es schön wehtut? Mir war in „Keiner von uns“ viel zu viel von allem und viel zu viel von nichts. Das tat aus meiner Sicht den Charakteren, die ein Jahrzehnt darum gekämpft haben, irgendwie zueinander zu finden, nicht gut, das wird ihnen und ihrer Entwicklung, die jahrelang zäh wie Kaugummi war, nicht gerecht. Stattdessen durften sie jetzt im letzten Film miteinander eine Brausetablette auf Cola lutschen. Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich alle Filme noch mal in einem Rutsch gucke. Und ob ich dann auch das Gefühl habe, ich werde in „Keiner von uns“ durch eine mehrjährige Beziehung in nicht einmal 90 Minuten gehetzt. Gott, es tut einfach nur weh. Es sind Chancen liegen geblieben, man hat sie liegen lassen, ob bewusst oder unbewusst; ich weiß zu wenig.

Ich weiß nur, dass ich mir manchmal einen anderen Job wünschte, der mich weniger kritisch sein lässt mit den Dingen, die mir wichtig sind. Die Journalistin in mir hinterfragt alles vier Mal und dreht und wendet es, bis die ersten Lücken gefunden sind. Unabhängig davon würde ich nie auch nur ein schlechtes Wort über „Für Janina“ oder „Der Tag wird kommen“ verlieren. Das sind Meisterwerke. Der Fan in mir hätte gern etwas anderes bekommen, etwas, das sich nicht anfühlt wie ein Schlag in die Fresse. Vermutlich WAR „Sabine“ einfach DIE Homage an die Fans, das eine „schaut mal hin, denn bald tut’s wieder weh“. Dabei ist es noch nicht mal die Trennung oder der Abschied, die mir da so auf den Magen und das Herz schlagen, sondern es ist schlicht und ergreifend die Art und Weise, wie es erzählt wurde. Es ist an zu vielen Stellen nicht stimmig, es passt nicht, es wirkt gehetzt, getrieben, völlig überzogen, teilweise überkonstruiert, verdichtet, bis sich die ersten Risse gebildet haben. Nach fest kommt ab. Allein die Art und Weise, wie fröhlich-munter Katrin am Ende ins Revier tänzelt, macht so gar keine Lust auf weitere Filme. Ich möchte immer noch glauben, ich habe irgendeine AU-Version eines Rostocker Polizeirufs gesehen, die unter der Vorgabe lief, zu zeigen, wie sie es auf keinen Fall machen wollen, wenn Charly aussteigt.

Über Pöschel

Danke, danke, danke, dass es endlich auch wieder echten Pöschel-ist-übermotiviert-Content gab. Jede Sekunde habe ich genossen, jede Sekunde. Das ist er, mein Pöschi. Dass ausgerechnet er die Verbindung zu Subocek herstellt: Das MUSSTE so sein. Das war so richtig. Auch, dass er endlich erfahren durfte, dass die Fahrgemeinschaft nicht nur eine Fickgemeinschaft ist.

Über Thiesler

Endlich wieder an der frischen Luft. Endlich draußen. Der Mennecke-Fanboy, der gerade vom Konzert kam und direkt wieder hinfährt, weil es einen Tatort gibt. Ich bleibe ja dabei, dass Thiesler seit Jahren zu wenig zu tun hat. Ich will wieder Färbung sehen, Charakter. Wie wäre es beispielsweise, Thiesler mal selbst in eine Mordermittlung zu verwickeln: auf der Gegenseite. Ein Kumpel aus alten Tagen in Not, eine alte Freundin, Ex-Kollegen.

Über Röder

Ich weiß nicht so recht, was mich an der Rolle Röder derzeit stört. Dass sie ein wenig an den Rand gedrängt wurde? Dass er seltsam unmotiviert wirkt? Abwesend? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, der große Uwe Preuss bleibt weiter an Bord. Sonst kann das Schiff nämlich endgültig ankern. Oder wird absaufen. Ich will hier auch keine Gerüchte streuen, ganz im Gegenteil. Absolut subjektive Einschätzung. Irgendetwas ist „off“.

Das Ende mit Schrecken

„Vielleicht komm ich irgendwann zurück“, sagt der Sascha zu seiner Katrin, bevor er geht.
„Mal sehen, auf welcher Seite du dann stehst“, antwortet sie.

Lasst mich nicht zu lange rätseln, aber hier ist meine Vorhersage: Sascha kehrt unbekehrt zurück, wir kriegen eine Eiszeit, ein Zeit der Unsicherheit. Beide haben keine Ahnung, wie sie miteinander umgehen sollen. Anziehung ist noch da, aber irgendwas ist kaputt. Die Unbeschwertheit der gemeinsamen Monate ist vergangen. Sascha hat die Seiten nicht gewechselt, Sascha steht da, wo er immer steht.

Sollten wir froh sein, dass sie das Ende mit Schrecken herbeigeschrieben haben und nicht den Schrecken ohne Ende? Sollten wir? Hätte, hätte, Fahrradkette. Wir werden es nie erfahren.

Kohärenz

Ich habe so viele Fragen an Eoin und Anika. Ich würde gern viel mehr verstehen, als ich es derzeit tue. Spricht es gegen die Aussage des Films, dass ich es nicht tue? Ist sie zu schwach? Oder ist sie einfach nicht kohärent mit dem, was wir in „Sabine“ gesehen haben?

Ein paar Beispiele.

1.) Röder in „Sabine“: „Wissen Sie, was das Tollste auf der Erde ist, Frau König? Das Tollste auf der Erde ist, wenn zwei Leute doch noch irgendwie zusammenkommen. Zwei Leute, die überhaupt nicht zueinander passen doch noch glücklich werden zusammen.“

Röder in „Keiner von uns“ auf Katrins Frage, ob Sascha der Richtige für sie ist: “Das ist doch überhaupt nicht die Frage. Das hat doch überhaupt nichts mit ihm zu tun. Die Frage kann doch nur lauten: Gibt es überhaupt jemals einen Mann, der der Richtige ist für Sie?“

Wer erklärt es mir?

2.) Katrin hat in “Sabine“ schon Bindungspanik ohne Ende, inklusive kleinem Breakdown nach dem Sex. Sascha beruhigt sie, nimmt den Druck raus, sagt: “Eins nach‘m andern“. Er will sie nicht zu irgendwas drängen. Dabei macht sie klar, dass sie Angst hat.

Sascha in “Keiner von uns“: komm, wir machen ein Sabbatical, ein paar Pläne für die Zukunft, in zwei Jahren könnten wir, wieso willst du nicht, oh, ich fühle mich verletzt, dass du keine Pläne machen willst, gucke beleidigt in der Gegend rum und drücke dir einen Spruch. Versteh nicht, wieso du nicht willst, dabei sind wir doch SCHON 3,5 Monate zusammen.

Was hat sich innerhalb dieser kurzen Zeit verändert? Ich hatte leider bei beiden Szenen kurz den Eindruck, dass “Sabine“ entweder nicht gelesen/gesehen wurde, oder dass “Sabine“ bewusst sofort wieder auf den Kopf gestellt werden sollte. Egal, was es war: Passt für mich vor dem Hintergrund, dass sonst JEDES Detail jahrelang geplant und überlegt wird, nicht zusammen.

3.) Wir sehen am Ende des Films einen “reverse moment“ zu “Der Tag wird kommen“. Wieder kommt Sascha an ihre Tür, wieder öffnet Katrin. Doch diesmal sagt er nicht, dass er jemanden nicht umgebracht hat. Sondern es ist schon geschehen und sie war dabei. An dieser Szene stört mich mehreres: Ging es nicht ETWAS subtiler? Die normalen Krimigucker raffen doch sowieso nichts von der Horizontalen, konnte man das also nicht ETWAS schöner machen? Etwas weniger plakativ und offensichtlich? Was mir extrem querliegt, ist schon der Zoff auf der Straße vorher, als Katrin Sascha quasi vorwirft, sie hintergangen zu haben, nachdem sie sich doch endlich mal “komplett aufgemacht“ habe für ihn mit ihrem Kniefall. In welchem Universum genau wäre das Katrins Reaktion? Passiv-aggressive Vorwürfe über ihr Gefühlsleben? Im Übrigen HAT sich Katrin schon vorher aufgemacht: einmal in “Der Tag wird kommen“, als sie es über das Paraphrasieren über Nadja Flemings Verhalten erst verbalisiert („Aber das ist riskant, weil sie dafür jemanden an sich ranlassen müsste, aber sie tut’s trotzdem“) und später ganz praktisch durch den Kuss. Und dann in “Sabine“, als sie verschämt-ängstlich in seinen Nacken haucht: “Ich kann das nicht.“ Ich kann es drehen und wenden, wie ich will. Für mich passt aus emotionaler Sicht nichts zusammen. Und dazu zählt auch der Moment, als Bukow mit einem gehässigen „lass uns lieber mal keine Pläne machen“ davonstürmt. Oder als Katrin regelrecht zu Mennecke in den Verhörraum stürmt, um ihm zu erzählen, dass sie ihren Kollegen heiratet. Natürlich, Captain Obvious, darf der dann später die entscheidende Zeile im Beisein der Kollegen rausposaunen. Manchmal muss Buch schreiben so einfach sein.

Die Idee war jedenfalls vermutlich, zu transportieren, dass Katrin jetzt ganz angekommen ist in der Beziehung, dass sie sie endlich genießen kann, die schönen Momente. Einzig, es transportiert sich nicht. Der Grund ist einfach: Katrin IST so NICHT. In welchem Universum rennt Katrin direkt nach einem Antrag, wo sie sich vor Mennecke, der am Fenster steht, extra noch versteckt, direkt zu dem Mann und blökt es ihm ins Gesicht? Aber gut, das hatte ich schon.

Letzte Worte

Habe ich geweint? Na, Gott sei Dank, einmal kurz, und zwar ganz am Ende. Anneke kann das, Anneke schafft das einfach immer. Kein Wort muss sie sagen. Es ist einfach nur ein Blick und mein Herz bricht für Katrin König. Aber dann tänzelte Katrin durch Rostocks Innenstadt davon und ich dachte. Aha, no feels in the game, right.

Und noch ein paar Hinweise: Achtet auf die Gimmicks, die Eoin versteckt hat. Ganz abgesehen von der Abschiedsrevue-Parade altbekannter Gesichter. Lilith Stangenberg war wirklich eine Wucht als Tabea.

Jedenfalls wäre da ein Taxi, auf das man achten sollte. Und eben die Wiederholung einer Szene aus „Der Tag wird kommen“. Es ist ja quasi die 1:1-Auflösung dieser Sequenz. Es hört auf, wie es begann. Ist mir an der Stelle etwas zu herkömmlich gewählt, aber der Otto-Normal-Zuschauer wird sich sowieso nicht mehr daran erinnern können, daher ist das nur für Insider wichtig.

Auch das inzwischen etwas abgenutzte „in der Spur halten“ durften wir wieder hören. Wir sehen die Schiefe Ebene, denn die ist „da, wo wir Rotwein trinken“.

Achtet auf eine Nachricht, die Bukow an König schreibt. Wir hören die Worte nicht, aber wir können sie immerhin lesen.

Vermutlich gibt es noch viel mehr, das ich erkennen müsste, aber für den ersten Durchlauf finde ich das so schon mal ganz in Ordnung. Ein zweites Mal werde ich den Film allerdings voraussichtlich nicht schauen. Nicht in den nächsten sechs Monaten auf jeden Fall.

Vier Worte

Vier Worte zur Kamera/DoP: Sensationell! Danke, Florian Foest.

Ach so..!

Ein Krimi war es dann auch. Es gab einen Mord, einen Täter und weitere Tote. Natürlich alles verwoben mit Bukows Geschichte. Das war schlüssig, stringent und eigentlich ganz gut verwoben.

Plottwist

Wie witzig wäre es eigentlich, wenn Bukow Subocek gar nicht getötet hat, sondern noch jemand im Raum war? Schließlich SEHEN wir den Mord nicht. Aber weil Katrin gleich so reinrauscht <washastDugemacht?>, kann er es nicht richtigstellen, denn er HÄTTE ihn getötet. Und das macht ihm Angst. Aber das ist vielleicht auch sein Weg zurück.

Idee: Festnahme random Rostock Untergrund-Krimineller, der im Verhör gesteht, dass er damals als Teil der Gang dabei war, als der Falke getötet wurde, aber rechtzeitig abgehauen ist, aber vorher gesehen hat, was im Haus passiert ist.. wer Subocek erschossen hat (nicht Bukow)… und mit diesem Wissen den Täter erpressen wollte yaddayadda.. Anruf bei König.. „ihr wart doch damals dabei, folgendes ist passiert“..

Katrin:  Oh, er ist gar kein Mörder.

Variante B: Subocek hat sich selbst erschossen.

Allerletzte Worte

Als ich die allerletzte Szene sah <Katrin tänzelt motiviert-entschlossen ins Revier und schaut ein letztes Mal zurück, weil jetzt ein neues Kapitel beginnt>, dachte ich zum ersten Mal, dass ich den Film vielleicht einfach nur nicht verstehe. Ich war und bin gar nicht so sehr wütend, dass das jetzt nicht so gelaufen ist, wie ICH es gern gehabt hätte, sondern sehr verzweifelt darüber, dass ich es offensichtlich nicht verstehe bzw verstanden habe? Ich schreibe nicht, niemals gern, einfach so 2000 Zeichen und mehr einen Film meiner Lieblings-Reihe nieder. Denn es tut WEH, weil ich so dermaßen enttäuscht bin. Und das lässt mich so ratlos, so verzweifelt zurück.

Ich habe so viele Fragen an Eoin und Anika. Ich würde es so gern verstehen. Denn das Grundmotiv des Films, die Kernaussage über Bukow und König, die zusammen nie mehr als eine unromantische Version von Bonnie und Clyde sind und deshalb nicht zusammen sein können; ja, klar habe ich das verstanden. Klar weiß ich, was man mir sagen will. Dass Bukows einzige Lösung lautet, nach Sibirien zu gehen, ist halt etwas zusammengeschustert, aber auch damit könnte ich noch leben. Was für mich nicht passt, ist, wie die Charaktere dort hingeführt werden: nämlich komplett verbogen, zu schnell, zerzaust, falsch, irritierend.

Ich war dann wiederum froh, dass der Normal-Krimigucker nicht so genau hinschaut und das alles gar nicht so wahrnehmen wird und sich einfach freut, dass es mal wieder so richtig abgeht bei Bukow und König. Und Mensch, es ist ja auch Charly Letzter.

Dann wäre ich der einzige Mensch in ganz Deutschland, der das alles gar nicht mal so geil fand, und vielleicht ist das dann auch okay so.

Ein Gedanke zu „Ein Ende mit Schrecken

Schreibe einen Kommentar